Was ist Hochsensibilität (HSP) oder eine Reizüberflutung
Hochsensible Menschen zeichnen sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus, darunter eine vielschichtige Fantasie oder Kreativität, Perfektionismus, Harmoniebedürfnis und ein gutes Einfühlungsvermögen. Aber auch starke Reaktionen auf Medikamente, Alkohol und Koffein sowie eine erhöhte Anfälligkeit für Stress, Leistungsdruck und Zeitknappheit sind Anzeichen für Hochsensibilität. Sie benötigen jedoch auch regelmäßige Ruhephasen und ein bewusstes Annehmen ihrer Veranlagung, um im Alltag gut zurechtzukommen und zurückzufinden.
Ist Hochsensibilität oder Reizüberflutung eine Krankheit?
Hochsensibilität (HSP) ist keine Krankheit nach aktuellem Stand der wissenschaftlichen Forschung, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal, das etwa 15–20 % der Bevölkerung betrifft. Es handelt sich dabei um ein spezifisches Sammelsurium an Charaktereigenschaften, die sich aus einer gesteigerten Reizverarbeitung ergeben. Das vegetative Nervensystem hochsensibler Menschen filtert weniger als bei durchschnittlich Sensiblen, was dazu führt, dass sie mehr Reize als »wichtig« einstufen und diese im Anschluss das Bewusstsein erreichen.
Aus der bisherigen Forschung geht jedoch hervor, dass eine Reizüberflutung zu psychischen Belastungen bis hin zu psychischen Störungen führen kann. Durch die Reizüberflutung können z. B. Panikattacken oder Angststörungen entstehen, die sich, wenn sie unbehandelt bleiben, manifestieren können. Auch Konzentrationsschwierigkeiten können sich durch eine Reizüberflutung ggf. zu Lernschwächen im Kindesalter ausweiten.
Des Weiteren können Situationen entstehen, wodurch sich Betroffene unter Umständen zurückziehen und sich isolieren, gerade wenn Panikattacken oder Angstzustände zugrunde liegen. Dieser Rückzug führt oftmals zu einem Gefühl der Einsamkeit, obwohl Betroffene enge Freunde und die Familie um sich haben. Da Betroffene diesen Reiz der Einsamkeit jedoch um das Vielfache verstärkt empfinden, entsteht daraus eine irrationale Angst, die sich wiederum anderweitig personalisieren kann.
Im Autismus-Spektrum kann eine Reizüberflutung zu einem sogenannten »Overlaod« führen kann und dieser wiederum in einem »Meltdown« resultiert – einer starken emotionalen Reaktion, die sich oft als Wutausbruch äußert und für Außenstehende irrational erscheinen kann. Dies kann bis hin zu lauten Schreien und körperlicher Gewalt reichen. Als direkte Folge eines »Overloads« oder eines »Meltdowns« kann ein »Shutdown« auftreten, bei dem der Körper des Betroffenen versucht, die Reize auszugleichen, was zu einer vorübergehenden Minderung oder sogar einem völligen Verlust bestimmter Sinneswahrnehmungen führen kann.
HSP darf weder bagatellisiert noch generalisiert werden, sondern muss weiter in den Fokus rücken, um Betroffenen mehr Verständnis, Hilfe und Empathie entgegenzubringen. Gerade, in der heutigen sich schnell wandeln Gesellschaft, ist es umso wichtiger für Betroffene Akzeptanz zu erfahren und die Bestätigung, dass es völlig in Ordnung ist, hochsensibel zu sein und diese Eigenschaften als Stärke zu sehen und soziogesellschaftlich zu fördern.
Notwendige Sensibilisierung und Aufklärung in der Gesellschaft
Die Forschung zur gesamten Thematik steht noch am Anfang, aber es gibt bereits viele Erkenntnisse, die Betroffenen helfen, sich in ihrer Umwelt besser zurechtzufinden. Es wird angenommen, dass hochsensible Personen eine erbliche Veranlagung zugrunde liegen kann, und die Vorstellung, dass es sich um eine »psychische Störung« oder »Krankheit« handelt, wird zum jetzigen Zeitpunkt von der Mehrheit in der Wissenschaft zurückgewiesen.
Die Gesellschaft muss sich der Existenz und der Besonderheiten hochsensibler Menschen bewusst sein. Es ist wichtig, dass wir die Fähigkeiten und Herausforderungen, die mit einer Reizüberflutung einhergehen, anerkennen und respektieren. Die Sensibilisierung zur ganzen Thematik beginnt mit Bildung und Aufklärung. Es ist wichtig, dass wir Informationen über Hochsensibilität (HSP) zugänglich machen und Missverständnisse und Vorurteile abbauen. Das Thema zur HSP oder Reizüberflutung sollte in Schulen, am Arbeitsplatz und in anderen sozialen Umgebungen thematisiert werden, um ein Umfeld zu schaffen, das die Bedürfnisse hochsensibler Menschen respektiert und unterstützt.
Therapeutische Ansätze und Möglichkeiten für Betroffene
Hochsensibilität (HSP) oder Reizüberflutung darf nicht als Schwäche, sondern als Stärke gesehen werden. Hochsensible Menschen haben oft ein tiefes Verständnis für Kunst und Musik, eine ausgeprägte Empathie und ein starkes Bedürfnis nach Harmonie. Sie sind oft sehr kreativ und haben ein ausgeprägtes Gespür für Details, was in vielen Berufen, insbesondere in kreativen Branchen, sehr geschätzt wird. Auch wenn die Reizüberflutung belastende Aspekte aufweist wie z. B. eine erhöhte Tendenz zu einer Impulskontrollschwäche, bedeutet das nicht, dass Betroffene die negativen Belastungen nicht aushebeln oder kontrollieren können.
Unter anderem kann das S.O.R.K.C-Modell adaptiv angewendet werden. Das S.O.R.K.C-Modell nach Burrhus Frederic Skinner und erweitert von Lindsley im Jahr 1964 um die Variable K (Kontingenz) und im Zuge der kognitiven Verhaltenstherapie von F. Kanfer und G. Saslow um das Element O (Organismus) wurde. Es ist ein Standard in der Verhaltenstherapie zur Erklärung des Zustandekommens von psychopathologischen Verhaltens.
Die Bestandteile des S.O.R.K.C-Modells sind:
- S (Stimulus):
Dies bezeichnet eine äußere oder innere Reizsituation, die das Verhalten auslöst. Es beschreibt die Bedingungen, unter denen das Verhalten auftritt. - O (Organismus):
Eine Bezeichnung für die individuellen biologischen und lern geschichtlichen Ausgangsbedingungen bzw. Charakteristika der Person auf den Stimulus. - R (Reaktion oder Verhalten):
Es erläutert die Reaktion auf den Stimulus nach der Verarbeitung durch den Organismus auf kognitiver, motorischer, vegetativer und affektiver Ebene. - K (Kontingenz):
Eine Definition für die Regelmäßigkeit des Auftretens der Konsequenz nach der Reaktion. - C (Konsequenz):
Dies bezieht sich auf das Einsetzen einer Verstärkung oder Bestrafung als Folge eines Verhaltens.
Durch eine adaptive Anwendung des S.O.R.K.C-Modells, können sogenannte Skills entwickelt werden, um der Reizüberflutung entgegenzuwirken und diese auszuhebeln. Wie in allen Bereichen der Therapiebehandlung setzt dies ein kontinuierliches Training voraus, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, ganz nach dem Motto…
»Nur durch Scheitern lernen wir – nur durch Lernen entwickeln wir uns – nur durch Entwicklung verändern wir uns.«
Wie wichtig ist Selbsthilfe bei Reizüberflutung und HSP
Ein bewusster Umgang mit der eigenen HSP ist entscheidend für das Wohlbefinden hochsensibler Menschen. Dazu gehört das Einhalten regelmäßiger Pausen, das bewusste Annehmen der eigenen Veranlagung und das Schaffen einer reizarmen Umgebung. Es ist auch wichtig, dass hochsensible Menschen lernen, ihre Veranlagung zu schätzen und ihren Wert zu erkennen.
Selbsthilfe und Selbstmanagement spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Reizüberflutung, insbesondere für hochsensible Personen. Eine der wichtigsten Strategien zur Selbsthilfe besteht darin, die spezifischen Auslöser für eine Reizüberflutung zu identifizieren. Jeder Mensch hat einzigartige Auslöser, die eine Überstimulation hervorrufen können. Diese können laute Geräusche, grelle Lichter oder starke Gerüche sein. Durch das Identifizieren dieser Auslöser können Betroffene besser verstehen, welche Situationen oder Umgebungen sie möglicherweise vermeiden oder anpassen müssen, um eine Reizüberflutung zu vermeiden.
Es ist oft schwierig, eine Reizüberflutung zu stoppen, sobald sie eingetreten ist, wodurch präventive Maßnahmen wichtig sind. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass eine hochsensible Person eine ruhige Umgebung für die Arbeit wählt oder den Einsatz von Geräuschunterdrückungstechnologien in lauten Umgebungen in Betracht zieht.
Für die Zeiten, in denen eine Reizüberflutung auftritt, gibt es spezielle Befestigungswerkzeuge und -techniken. Dazu gehören Achtsamkeits- und Meditationsübungen, körperliche Aktivität, Zeit in der Natur oder in ruhigen Umgebungen, die Verwendung von Geräuschunterdrückungskopfhörern oder Ohrstöpseln in lauten Umgebungen und die Verwendung von sensorischen Spielzeugen zur Linderung von Angst und zur Verbesserung der Konzentration.
Ebenso wichtig ist es für Betroffene zu verstehen, dass es in Ordnung ist, Grenzen zu setzen und nein zu sagen, wenn eine Situation oder Umgebung überwältigend erscheint. Jeder hat das Recht auf angemessene Anpassungen in Schule und Arbeit, um eine Reizüberflutung zu vermeiden und zu bewältigen. Schließlich kann professionelle Unterstützung, wie zum Beispiel eine sensorische Integrations- oder kognitive Verhaltenstherapie, für viele HSP-Betrofffene hilfreich sein.